"Die in Zeiten des Kalten Krieges zahlreichen Richtfunkanlagen von Bundeswehr, französischer und US-Armee sind mittlerweile abgebaut. Erkennbar ist der Feldberg heute am alten und am neuen Fernsehturm sowie am Bismarckdenkmal auf dem Seebuck."[4]
Enttarnt - Die ACE-High Richtfunkanlage auf dem Feldberg im Schwarzwald.
Quelle - Horst Garbe [3]
Wer in den siebziger Jahren mit einem klobigen Amateur- oder CB-Handfunksprechgerät hantierte, wurde nicht selten als Spion verdächtigt. Ein Privatmann und Funk –in den Siebzigern unvorstellbar! Wenn also eine kleine Antenne eines Handfunksprechgerätes schon Unsicherheiten betreffs der Loyalität des Betreibers entfachte, blieb es natürlich nicht aus, dass die riesigen Antennengebilde auf dem Feldberg zu allerlei Spekulationen führten. Da wurde unter anderem gemunkelt, dass die Militärs eine „Radar-Station“ betreiben – also Luftüberwachung, andere wiederum meinten von einer „Lausch-Anlage“ zu wissen – also das Abhören der Funkfrequenzen und wieder andere sprachen allgemein von einer Überwachungsanlage. Was aber sollte schon vom Feldberg aus überwacht werden? Dem seinerzeitigen Feindbild, den Staaten des Warschauer Paktes, konnte man sich funktechnisch viel besser aus Bayern oder Hessen mit Radar und Abhörgeräten nähern. Hier war die Grenze des Kalten Krieges hautnah,mitten durch Europa, aber nicht auf dem Feldberg. Was für ein Geheimnis steckte also hinter den Schildern „Militärischer Sicherheitsbereich. Fotografieren verboten, Vorsicht, Schusswaffengebrauch“ am Zaun vor den riesigen Antennengebilden auf dem Feldberg?.
Ein kurzer geschichtlicher Rückblick:
Am 9. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht – der Zweite Weltkrieg war beendet. Die Sowjetunion dominierte unter anderem in der Tschechoslowakei, Polen und nicht zuletzt im Osten Deutschlands. In Westeuropa war ein machtleerer Raum entstanden. Um diesen zu füllen, formierte sich am 4. April 1949 unter dem Zeichen der Windrose die NATO, die „North Atlantic Treaty Organisation“, mit zunächst 12 Partnern aus Europa und Nordamerika. Deutschland wurde 1955 Mitglied der NATO, die sich als Ziel gesetzt hat: die Sicherheit in Freiheit und das Wohlergehen der europäischen und nordamerikanischen Partner,zu garantieren. Zur Sicherung dieser Ideale genügten aber nicht nur moderne Waffen zur Umsetzung des Abschreckungsprinzip. Die Militärs brauchten nicht zuletzt auch für ihr Frühwarnsystem dauerhafte sichere und schnelle Fernmeldeverbindungen zu den Führungsstäben der dem Bündnis angehörenden Länder. Die bestehenden und auch die geplanten Telefonnetze, auch die eigenen Militärnetze, genügten diesen hoch gesetzten Ansprüchen der Führungsebene nicht. Schließlich gab es noch keine Satellitentechnik, sie wurde in Deutschland bei der NATO Anfang der siebziger Jahre eingeführt. Bis in das Jahr 1956 reicht die Entwicklung des NATO-ACE High Systems zurück. Nach und nach wurde das Richtfunksystem in den NATO-Mitgliedsstaaten realisiert!
Was steckte hinter dem ACE–High System tatsächlich?
Die Abkürzung ACE steht für Allied Command Europe, und bedeutet so viel wie Alliiertes Kommando in Europa. Das Anhängsel HIGH steht für die verwendeten hohen UHF und Gigahertz-Frequenzen. Die Frequenzen der „LoS“ – also „line of sight“ - Sichtverbindungen bis 150 Kilometer lagen bei zirka ein bis 1,8 Gigahertz. Das durch seine gigantischen Antennen beeindruckende „OH“ – over horizon – also Überhorizont-System nutzte Frequenzen zwischen achthundert und eintausend Megahertz. Durch sogenannte Troposcatterverbindungen, die hier zum Zuge kamen, wären im Extremfall bis zu eintausend Kilometer zu überbrücken gewesen. Vereinzelt kamen auch Frequenzen um 600 Megahertz, wie nach Malta und Kreta, zum Einsatz.
Wie funktioniert UKW-Weitfunkverkehr per Troposcatter?
Die Erde ist von der Atmosphäre umgeben. Diese teilt sich in verschiedene Schichten auf. Bis in elf Kilometer Höhe reicht die Troposphäre – abgekürzt Tropo. Scatter wiederum steht für die Streuung der Funkwellen an den Turbulenzstellen der Atmosphäre. Also sendete man ein Signal in die Atmosphäre und fing die äußerst geringen Reflektionen wieder auf. Was theoretisch einfach klingt, bedurfte in der Praxis stark gebündelter Sendewellen, hoher Leistung und empfindlicher Empfänger. Schließlich reflektieren hochfrequente Ultra Kurz Wellen im Gegensatz zu den Kurzwellen kaum. Andererseits war man bei UKW auf der sicheren Seite, denn Ausbreitungsabhängigkeiten von Tageszeiten und Störungen welcher Art auch immer, gab es auf UKW nicht. ACE-High war also eine der modernsten und aufwendigsten Übertragungstechniken seiner Zeit. Und das in den frühen sechziger Jahren, als Transistoren Zukunftsmusik und an DSP, Digital Signal Processing, nicht zu denken war! Und trotzdem, das ACE-High System war ein fast 100 Prozent sicheres Übertragungssystem! Auch ein Eindringen in die Funkverbindungen durch Abhören Unbefugter ist nicht bekannt.
ACE-High Aufbau zu Beginn der sechziger Jahre
Die der NATO angehörenden Staaten Europas wurden mit Beginn der sechziger Jahre mit Richtfunkstrecken überzogen. Bereits im Oktober 1959 wurde eine kleine Anzahl von Senderfachleuten im italienischen Borgo Piave speziell für das ACE.High System geschult. Daraus entwickelte sich die NATO-eigene Fernmeldeschule, die seit April 1974 als „NATO Communications School Latina“ bekannt ist. Auch die Fernmeldespezialisten vom Feldberg erhielten dort ihre Ausbildung. Heute werden auf der Schule die Fachleute für das NATO Satellitensystem „SATCOM“-System geschult.
Kurzum, ahlreiche „wundersame“ Antennengebilde erblickten Anfang der sechziger Jahre das westliche Licht der noch in zwei politische Lager geteilten Welt. Vierzig ACE High Sichtverbindungen mit den typischen Richtfunkschüsseln - mal frei stehend, mal geschützt durch ein Radon - garantierten zusammen mit 49 Troposcatter-Stationen und den für einen Laien jeglicher Vorstellungskraft entrückten „Riesenantennen“ eine sichere und dauerhafte Verbindung zu den leitenden NATO-Stützpunkten. Von Nordnorwegen über Britannien und Zentral-Europa bis hinein in die Osttürkei reichte das Netzwerk. Die längste Strecke über Wasser betrieben die Engländer von „Mossy Hill“ aus. Die Aussendungen reichten bis nach Norwegen. Leichtes und schnelles Fading beeinflussten die Signale, zu einem Ausfall kam es aber nie! Übertragen wurden in Frequenzmodulation 570 Sprach-, 260 Fernschreib- und 60 Datenkanäle. Bei den verwendeten Sendeleistungen schwanken die Angaben von einem bis 50 Kilowatt. Auch werden unterschiedliche Senderhersteller genannt, wie „Marconi“ aus Groß-Britannien oder die „National Radio Company“ aus den USA.
Die ACE-High Station "AFEZ" auf dem Feldberg
Die Gemeinde Feldberg liegt im südlichen Schwarzwald im Dreieck von Schweiz, Frankreich und natürlich Deutschland. Es ist die Region Titisee im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Bürgermeister Stefan Wirbser und die 1.769 Bewohner seiner Gemeinde leben überwiegend vom Tourismus. Der Feldberg selbst, seit 1937 unter Naturschutz stehend, ist kein typischer Berg, sondern ein mehrere Kilometer langes Mittelgebirgsmassiv. Dieses Massiv vereint drei Kuppen. Davon ist der Feldberg mit 1.493 Meter die höchste Erhebung. Mit 1.448 Meter folgt der Seebuck und der uns interessierende Baldenweger Buck mit 1.461 Meter Höhe. Hier stand die seinerzeitige NATO ACE-High Station, das über zwanzig Jahre wohl mehr als außergewöhnliche „Markenzeichen“ der Gemeinde Feldberg!
Verbunden mit der Verlegung des NATO-Hauptquartiers 1966 vom französischen Fointanbleau in das belgische Casteau war die Einrichtung mehrerer neuer ACE-High Stationen, darunter der Feldberg. In Betrieb ging die Anlage 1969. Seit Oktober 1995 wurde sie nicht mehr genutzt und im Jahr 1998 kam das endgültige Aus! Die Antennen wurden abgebaut. Nach dem Abbau der Station wurde das Gelände renaturiert.
Stationskennung, Antennen und Verbindungen
Die NATO-Richtfunkanlagen hatten keine offiziellen Rufzeichen, jedoch gab es im militärischen Umgang durchaus Kennzeichnungen der Stationen. Die Feldberg-Station hieß AFEZ. A stand für Allemande, FE für Feldberg und Z für das ACE High System. Bei dem später eingeführten Satellitenübertragungssystem „Satcom“ war die Namensgebung der Stationen identisch, nur der letzte Buchstabe wurde von Z auf X geändert. Und damit wusste man, dass es sich um eine Satellitenanlage handelt.
Die großen Troposcatter-Antennenanlagen – waren um die 33 Meter hoch. Die Feedhörner standen vom Reflektor abgesetzt auf einem eigenen Mast. Gesendet wurde bei 900 Megahertz über einen Marconi REL Sender, Serientyp 2.600, mit zunächst 10 Kilowatt, später mit fünf Kilowatt in Richtung Italien. Dort befand sich die Gegenstation mit der Kennzeichnung IDGZ. Entsprechend „Italy Dosso dei Galli“. Diese Anlage stand im Norden Italiens nahe der Grenze zur Schweiz in der Region Lombardia und der Province Brescia. Es wurde in 2.400 Meter Höhe nicht weit entfernt vom Gardasee gefunkt. Nicht selten waren die Techniker im Winter für mehrere Tage eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten! Gesendet wurde über eine Entfernung von zirka 350 Kilometer.
Es ging aber auch mit weniger Leistung, kleineren Antennen und weniger Kilometern Entfernung. An der Rückseite des filigranen, aber stabilen Standgerüstes der Troposcatter Reflektoren waren zwei Meter im Durchmesser große Radon-Parabolspiegel angebracht. Durch diese Antennen wurden die Verbindungen zur Station ABHZ im Bereich Kaiserslautern/Ramstein weitergeleitet. BH bedeutet nichts anderes als Bann Hill, ein Berg nahe des Ortsteils Bann der Gemeinde Kindsbach. Mit einem Kilowatt aus einem NERA-Gerät wurde die zirka 150 Kilometer weite Luftlinie überbrückt. Unterschiedliche Angaben aus verschiedenen Quellen legen den Übertragungsbereich auf einem bis 1,8 Gigahertz oder auch bei drei Gigahertz fest.
Die besondere funktechnische Bedeutung der Feldberganlage
Neben der ohnehin wichtigen Aufgabe durch die Station auf dem Feldberg, Verbindungen in den Führungsebenen der NATO sicherzustellen, kam der AFEZ noch eine weitere Bedeutung zu. Dies sei am Beispiel Bann Hill erläutert: Bis 1992 befand sich in Ramstein die Führung der vierten Allied Tactical Air Force – der vierten ATAF. Hierzu gehörte auch das 615. Aircraft Control Warning Center sowie das Sector Operation Center – SOC.
Sozusagen das Luftüberwachungszentrum der NATO. Von hier wäre Alarm ausgelöst worden, wenn der Warschauer Pakt die Grenze in der Luft überschritten hätte. Die Luftraumüberwachung war in einem weitläufigen Bunkersystem der ehemaligen Wehrmacht untergebracht. Die Bann Hill ACE-Spezialisten hatten indes oberirdische Unterkünfte. Damit ist herausgestellt, welche hochrangige Einheiten ihre Nachrichten über den Feldberg weitergaben oder erhielten. Übrigens hat auch die Feldbergstation einen Wehrmachtsbunker genutzt. Auf dem war die Station aufgebaut worden. Ansonsten wurde der Bunker als Büro, Küche, Aufenthaltsraum und Lager genutzt. Die Sende- und Empfangsanlagen waren ebenso wie die Notstromanlage in oberirdischen Gebäuden untergebracht.
Weitere Funkanlagen auf dem Feldberg dienten den Franzosen und Amerikanern. Der schwarze Turm in Nähe des höchsten Punktes des Feldberges gehörte zu den Franzosen. Nicht weit entfernt davon stand die Unterkunft der Deutschen, von den Soldaten liebevoll Chalet genannt, gefolgt von der amerikanischen Station.
Die Soldaten auf dem Feldberg
Bis zu 20 Personen betreuten die Funkanlage auf dem Feldberg. Davon hatten die meisten Zeitsoldaten eine Verwendung von acht bis zwölf Jahren. Hinzu kamen noch zwei Berufssoldaten und ein Wehrpflichtiger sowie Zivilisten. Die Berufsbezeichnung lautete im typischen Deutsch:„Fernmelde-weit-verkehrs-mechaniker-meister“. Einfacher ging es im NATO-Englisch: „ACE High Technician“. Die Spezialisten für die Notstromanlage wurden „Powerman“ genannt. Zusätzlich gab es besondere ACE-High Ingenieure im „Mobile Maintenance Team – MMT“. Sie reisten von Station zu Station für besondere Wartungsarbeiten. Zwei Mann in einer 24- Stunden-Schicht garantierten auf dem Feldberg eine ununterbrochene einwandfreie Funktion der Sende- und Empfangsanlagen. Ein Mithören der übertragenen Signale war den Soldaten nicht möglich.
Dank geht an die ehemaligen Stationsmitarbeiter Thies Klatte, Chef-Techniker von 1985 bis 1995, für seine Hintergrundinformationen und Willibert Wilkens für Informationen und Fotos.